schlingern

Adrian Franco, 2020

In jenem Sommer landete ich oft im Wasser.

Aus dem umkippenden Kahn erblickte ich noch die Übungsleiterin, die augenscheinlich am gegenüberliegenden Ufer plötzlich auf ihrem Fahrrad ins Schlingern gekommen war.

Das elektrische Segelboot des kleinen Jungen kreuzte derweil, tapfer gegen den Wellengang und die heiße Brise ankämpfend, meine aufgeschäumte Fahrrinne. So lange jedenfalls, bis der Motor abstarb oder absoff und das Gefährt den nautischen Künsten seiner imaginierten Besatzung überantwortet wurde.

Man stelle sich nur vor: Der Koch versucht hastig Töpfe und Geschirr zu ergreifen. Das Ruder in Miniatur schlägt auf der Brücke unkontrolliert aus. Kommandoschreie suchen nach den richtigen Handgriffen in der zuckenden Takelage. Knoten ziehen sich fest.

Wäre es ein strahlend weißer Kreuzfahrer, würde wohl just in diesem unglücklichen Moment das Wasser im Pool überschwappen und in das Unterdeck mitsamt der Kojen eindringen. Was für ein Schaden!

Die Schiffsglocke schlägt nur noch aus nostalgischen Zwecken aus. So ertönt ein Warnhinweis von Band als der Riese mit dem Pier kollidiert. Niemand überwindet sich und vollführt einen heroischen Sprung von Bord in die trübe Lagune. Stattdessen allgemeines Verharren in Rettungswesten mit Signalpfeife im Mund.

Beim Eintauchen in das Nass verdampfte schlagartig die Hitze meines Kopfes. Die Ruder trieben mir auf der leichten Strömung davon. Ich schob den glatt polierten Rumpf ans Ufer. Auf der Wasseroberfläche trieb Tierkot. Die Übungsleiterin schien ungehalten zu warten.

„Regen“, dachte ich mir. „Es hatte schon viel zu lange nicht mehr geregnet.“


Text ursprünglich veröffentlicht als Beitrag zum Gemeinschaftsprojekt to-navigate: Wie navigiert ihr durch aufgewühlte Gewässer?


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