Erneut kommt es zum Bildersturm auf das Denkmal im öffentlichen Raum: Historische Figuren, die im Zusammenhang mit Sklaverei, Rassismus und Kolonialismus stehen, werden zur Zielscheibe eines aufgewühlten Gedächtnisses.
Auf meinem Spaziergang über die Wöhrderwiese, hoch zum Prinzregentenufer, treffe ich auf ein etwas mehr als hundertjähriges Podest, das Erinnerung tragen soll. Selbst dann noch, wenn es keiner der Passanten so richtig mitbekommt – das Schnaufen und Schwitzen, verborgen im Muschelkalk, geschützt von grünen Blättern.
Ich schrieb also in der Wikipedia. Und schließlich auch an die Nürnberger Nachrichten, einen Leserbrief:
„Liebe Redaktion der Nürnberger Nachrichten,
täglich komme ich in meiner Mittagspause am Bismarck-Denkmal am Prinzregentenufer vorbei. Enthüllt im Kriegsjahr 1915 erinnert der überlebenshohe Bau aus Muschelkalk an den Reichskanzler, hoch zu Roß, den stolzen Kopf in die umliegenden grünen Baumkronen ragend. Längst ist das Kaiserreich und sein verhängnisvoller Militarismus vergangen. Geblieben ist die historische Figur Bismarcks als kluger Machtpolitiker des aufkommenden Nationalstaates im 19. Jahrhundert. Als Gründer der modernen Sozialversicherung.
Und doch ist da eine weitere Facette: Bismarck der Kriegsherr, Bismarck der Imperialist – Gastgeber der berüchtigten internationalen Kongokonferenz (1884-1885), welche die Aufteilung der europäischen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent zementierte.
Was wäre, wenn ich auf eine Treppe steigen könnte, um der vielschichtigen Vergangenheit an diesem Ort ins Auge zu blicken? Noch steht hier nichts. Kein Hinweisschild, keine Kontextualisierung. Bismarck bleibt entrückt, still auf eine Reihe parkender Autos blickend. Kein Spaziergänger, der ihn behelligt. Erinnerungskultur im Wartezustand.
In Zeiten eines neuen Bildersturms werden in Nordamerika, Frankreich, Belgien und Großbritannien die Statuen ehemaliger Sklavenhändler und kolonialer Armeeführer angegriffen, umgeschmissen oder gar enthauptet. Ich denke, dass eine einfache Treppe wesentlich mehr bewirken kann – sie könnte Bismarck in seinem Nürnberger Dornrösschenschlaf stören.
Mit freundlichen Grüßen“

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